Augen auf im Straßenverkehr

Zugegeben, auf Twitter zu diskutieren ist ziemlich dumm. Ich bin mir dessen bewusst und trotzdem kann ich es mir manchmal nicht verkneifen. Leider. Meistens aus einem von drei Gründen: Entweder, weil ich grad Bock auf Stress habe oder weil ich die Argumente der Gegenseite einfach für so extrem dämlich halte (was nicht direkt was heißen muss), dass ich sie nicht unkommentiert lassen kann. Ich spoilere mal: Heute war zweiteres der Fall.

Im Wesentlichen geht es um folgenden Tweet:
Ich muss gestehen, dass es länger gedauert hat, als ich dachte, bis der erste Kommentator mir erklären wollte, dass das aber ja wohl der falsche Ansatz wäre. Genauso falsch, wie die Helmempfehlung für Radfahrer übrigens, denn am Ende tragen ja alle Helme (OMG!) und die Kinder blinken und leuchten (UNFASSBAR!), aber die Autofahrer fahren weiter mit 180 durch die 30er-Zone, essen dabei Eis und tindern sich dabei gleichzeitig zum nächsten Sexdate. Es sei denn, sie haben einen Kleinwagen, dann fahren sie nur 140.

Sehen wir uns die Argumentationskette mal an und davon ab, dass Radfahrer sich nicht nur durch Autos Schäden am Kopf zuziehen können. Ich hatte in der Grundschule einen Freund, der auf die glorreiche Idee kam, die Bremsen seines nagelneuen Rades bergab bei voller Fahrt zu testen und sich vermutlich im Flug über den Lenker dachte, dass ein Helm gar keine so schlechte Idee wäre und ihm die nun folgenden 6 Wochen Krankenhaus eventuell hätte ersparen können. Aber gut, er hat ja überlebt und damals waren Fahrradhelme noch deutlich weniger verbreitet und wir wollten ja auch darüber hinwegsehen.

Zurück zur Argumentationskette. Das Argument ist, dass man im Straßenverkehr ja wohl tragen können sollte, was man will, denn die Autofahrer hätten ja schließlich aufzupassen. Abgesehen davon, dass jeder, der Kinder hat, weiß, dass es bis zu einem Alter generell keine so gute Idee ist, Kinder tragen zu lassen, was sie wollen, halte ich das für etwas hanebüchen. Dem folgend sollte man sich vermutlich auch nicht anschnallen, weil die anderen Verkehrsteilnehmer ja darauf zu achten haben, mir nicht reinzufahren. Man benutzt auch keine Kondome mehr, weil der Partner ja darauf zu achten hat, niemanden mit AIDS, Gonorr- oder Diarrhoe anzustecken.

Man kann sich auch gefahrlos mit jedem treffen, der einen in dunklen Ecken des Internets anspricht und sollte das auch tun, denn schließlich hat der andere ja die Verantwortung dafür, kein irrer Axtmörder zu sein, der die Körperteile seines Gegenüber einzeln an die Decke des ehemaligen Schlafzimmers seiner toten Mutter hängen möchte. Während sie im gleichen Raum im Schaukelstuhl sitzt. Und Kinder kann man dann, nachdem sie den täglichen Straßenverkehr mit Müh und Not überlebt haben, auch gleich zur Jagdsaison in Tarnklamotten in den Wald schicken, weil ja die Jäger schließlich aufzupassen haben, wen oder was sie erschießen. Abends auf dem Teller sieht eh alles gleich aus.

Das Argument ist, meiner Meinung nach, einfach auf vielen Ebenen schlicht und ergreifend dumm.
1. Zu sagen "Stattet eure Kinder mit Reflektoren aus, damit sie im Halbdunkel des winterlichen Morgens besser gesehen werden" bedeutet weder "Autofahrer tragen keine Verantwortung", noch "Straffreiheit für Raser" und erst Recht fordert man damit nicht "Tempo 180 in Spielstraßen".
2. Es erschließt sich mir nicht, wie das Verweigern von Reflektoren Autofahrer genau dazu bringen soll, langsamer zu fahren.
3. Ja, ein Autofahrer, der mal zu schnell fuhr und dabei ein Kind getötet hat, wird das vermutlich so bald nicht wieder tun, trotzdem halte ich die Taktik, Kinder für diesen Zweck zu opfern für, sagen wir, eine Spur zu verlustreich.
4. 1 Schutz + 1 Schutz = 2 Schutz. Sind wir ehrlich, die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist immer auf Seiten der Schutzvorkehrung. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Kinder Schutzkleidung tragen UND Autofahrer in angemessenen Geschwindigkeiten fahren und gleichzeitig nicht Pokemon Go am Steuer spielen. Denn stellen Sie sich vor, man kann Reflektoren gut finden und gleichzeitig wollen, dass Autofahrer rücksichtsvoller sind. Mindblowing.

Ihren Abschluss fand das gegen Ende zugegeben etwas einseitig geführte Gespräch dann in folgendem Tweet
Ich bin nicht ganz sicher, wann ich etwas derartiges gesagt haben soll, aber ich lasse Sie mal mit dem Tweet allein und grüße freundlich aus meiner Timeline, wo es wichtiger ist, dass Kinder möglichst lange einfach nicht überfahren werden, statt die Schuldfrage zu klären, warum wir überhaupt darüber reden müssen. Aber das ist nur meine Meinung.

Beste Grüße,
Ihr Rock Galore

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