Lach- und Sachgeschichten. Heute: Volksverhetzung

Hallo Herr Nicolaus Fest,
ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich keine respektvollere Anrede gewählt habe, aber ich konnte mich schlicht nicht dazu durchringen. Ich bin im Umgang mit Demagogen aber auch einfach nicht so geübt, jedenfalls bei Weitem nicht so geübt wie Sie in der Monetarisierung von Angst, und Sie, Herr Fest, sind, meiner Meinung nach, ein Musterbeispiel für Demagogie. Zudem halte ich Sie für einen lupenreinen Rassisten, mein Twitter-Kommentar Ihres gestrigen Auswurfs zum Thema "Islam" spülte jedenfalls eine Menge braunes Zeug in meine Timeline und nicht jedes braune Zeug ist Nutella, Herr Fest, bei Weitem nicht. Schade eigentlich.

Im weiteren Verlauf der Diskussion, nachdem Sie sich selbstverständlich, wie Rumpelstilzchen um sein Feuer feixend, über den aufziehenden Shitstorm und die damit verbundene Aufmerksamkeit freuten, ließen Sie sich dann zu einem Tweet herab, der die offene Frage stellte, ob man nicht vor

den anti-modernen Tendenzen des Islam auf der Hut sein
müsse und schwemmten damit die ganze Bandbreite des Alltagsrassismus in mein virtuelles Twitterzuhause. Die "Recht hat er"- und "Man wird ja noch seine Meinung sagen dürfen"-Twitterer, das Social-Media-Äquivalent zum klatschenden Passanten von Hoyerswerda anno `91 oder Rostock-Lichtenhagen, ein Jahr später. Herzlichen Glückwunsch, Herr Fest, wenn das die von Ihnen gewünschte Bühne sein sollte, dann haben Sie´s wohl geschafft - auf einer Stufe mit Steinewerfern auf ein Asylantenheim, beklatscht von sich einnässenden Wutbürgern mit zum Hitlergruß erhobener Hand. Vielleicht gehören Sie da aber auch einfach hin.

Wovor man auf der Hut sein muss, Herr Fest, sind im Gegenteil Menschen wie Sie. Menschen, die Ihre Marktmacht, die Sie in der BamS ja zweifelsohne haben, ausnutzen, um mit den Ängsten anderer Menschen Geld zu machen. Oder Macht zu erzeugen. Einige von Ihnen sind sogar Muslime. Sie behaupten, es gäbe "eine überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund" ohne dies zu belegen. Weil Sie es nicht belegen können, denn die Religion, ganz zu schweigen vom Enthusiasmus, mit der sie tatsächlich praktiziert wird, wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik gar nicht erfasst. Aber es ist die landläufige Meinung, also wird´s wohl schon stimmen, was Herr Fest?

Was Sie in Ihrem pauschalisierenden Rhetorikdiarrhoe zudem konsequent zu erwähnen vergessen ist, dass es "den" Islam gar nicht gibt. Mit der gleichen Berechtigung, mit der Sie "dem" Islam vorwerfen kriminell und gewalttätig zu sein, könnte man "dem" Katholizismus Pädophilie vorwerfen. Sexueller Missbrauch ist in der katholischen Kirche so weit verbreitet, dass er einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat, Herr stellvertretender Chefredakteur Fest. Würden Sie Bayern, als immer noch weitgehend katholische Hochburg in Deutschland, als pädophil bezeichnen? Weißwurstfressende Päderasten, vor denen Großdeu Restdeutschland beschützt werden muss? Oder ist Italien gar ein Volk von Kinderschändern? Bevor Sie im volksverhetzenden Beißreflex jetzt vorschnell mit "Ja" antworten, Herr Fest, nehme ich die Antwort mal vorweg: Nein, beides ist nicht zutreffend, weil niemand das Recht hat, über schwarze Schafe das Wesen einer ganzen Bevölkerungsgruppe zu definieren.

Folgt man Ihrer Argumentation wird es in naher Zukunft sehr schwer für dunkelhäutige, bärtige Männer und kopftuchtragende Frauen sich auf deutschen Straßen zu bewegen, denn wir wissen ja alle, wie "der" Islam aussieht, was Herr Fest?

Fügen Sie hier bitte ein Knuffen und lautes Stammtischgelächter ein.
Man kann dem hauptstädtischen Durchschnittshipster, und nicht zuletzt Herrn Diekmann, nur anraten, die Laufzeit des Solariums gut im Auge zu behalten und, jetzt im Sommer wohl eher, einen guten Sunblocker empfehlen.

Ich habe Herrn Professor Lucke vor einiger Zeit an anderer Stelle ans Herz gelegt, dass man sich spätestens dann, wenn man vom Portal "politically incorrect" gelobt wird, wirklich Gedanken über seine politische Ausrichtung machen sollte. Und jetzt dürfen Sie drei mal raten, welche Seite zu den ersten zwanzig Ergebnissen zählt, wenn man Sie googelt, und zudem einige Ihrer Kommentare als "sehr lesenswert" einstuft, Herr Fest. Womit sich der Kreis dieses Blogposts schließt und wir wieder bei den Steinewerfern sind, zu denen ich Sie zähle und bei den applaudierenden Passanten, aus denen Sie scheinbar die Daseinsberechtigung für Ihre kruden, pauschalisierenden, menschenverachtenden Thesen ziehen. Für mich, Herr Fest, sind Sie ganz einfach, für die eigenen Zwecke über Leichen gehender, Abschaum.

Herzlichst, Ihr Rock Galore

Epilog
Der Autor ist praktizierender Atheist und hat im obigen Text bewusst darauf verzichtet, seine politische oder religiöse Ausrichtung zu thematisieren. Es gibt rhetorische Brandstifter auf allen Seiten dieses Konfliktes und der Autor verachtet sie alle gleichermaßen, seien Sie sich diesen Umstands sicher. Herr Fest hat diesen Status keineswegs exklusiv.
Alle, möglicherweise einen Beleg erfordernden, Stellen dieses Posts wurden im Text verlinkt und dafür auf ein Quellenverzeichnis verzichtet.

Kommentare

  1. Wer wird denn wegen ein paar schwarzbrauner Schafe in den KZs gleich sämtliche NS-Parteigenossen unter Generalverdacht gestellt haben wollen oder - Gott bewahre - die Deutschen als deren Wirtsvolk insgesamt. Dabei weiß doch jedes Kind, dass die Deutschen alle im Widerstand waren, haben sie uns nach 1945 schließlich selbst erzählt. Der Nazismus und die Nazis haben also schon mal nichts miteinander zu tun und die Deutschen noch viel weniger. Ein echter Deutscher würde nie morden - das verbot ihm sein Strafgesetzbuch damals wie heute. Mörder können also niemals Deutsche sein, das war damals so und heute auch. Allenfalls hat der eine oder andere das StGB falsch verstanden und wurde ansonsten sozial benachteiligt. Gewalt ist ja immer auch ein Hilferuf. Jede anderslautende Behauptung ist eine alle Deutschen pauschal unter Generalverdacht stellende rassistische Entgleisung.
    So in etwa?

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  2. Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht folgen.

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