Herr Professor Lucke, es wird Ihnen egal sein, aber ich mag Sie nicht

Sehr geehrter Lieber Hallo Herr Professor Lucke,
wenn man sich ansieht, was Sie und Ihre Partei in den letzten Monaten geschafft haben, kommt man nicht umhin, Ihnen Respekt zu zollen. Niemand spielt die Klaviatur der Angst besser als Ihre Partei. Niemand setzt billige Polemik und rechtspopulistische Thesen so gesellschaftskonform in Szene wie Sie. Oh, das war möglicherweise nicht die Art von Respekt, die Sie sich gewünscht haben. Tut mir sehr leid.

Ich habe mich in den letzten Tagen etwas eingängiger mit Ihrem Werk beschäftigt. Angefangen bei den Wahlplakaten, nach denen der Euro die europäische Freundschaft zerstört. Es ist ein schönes Plakat. Es sagt, wie lieb wir alle haben. Und die anderen uns, wir sind ja Freunde. Und Freunde müssen doch verstehen, dass wir nicht selbst untergehen können, im Versuch andere zu retten. Nun, Herr Professor Lucke, wir scheinen unterschiedliche Meinungen zum Thema "Freundschaft" zu haben. Ich dachte immer, genau DAS macht eine gute Freundschaft aus.

Vielen Dank, dass Sie mich an dieser Stelle belehrt haben, sonst wäre ich vermutlich weiter durch die Welt gelaufen und der Meinung gewesen, man müsste Freunden auch aus dem Dreck helfen, wenn man sich selbst dabei schmutzig macht.
Aber so dankbar ich auch bin, dass Sie mir im Bezug hierauf die Augen geöffnet haben, stellt sich mir trotzdem eine Frage, für die ich etwas weiter ausholen muss. Es ist so rund 70 Jahre her, da lag das D in ihrem Parteikürzel nach einem selbst angezettelten Krieg am Boden. Es hat mehr oder weniger alle, der auf Ihren Plakaten "Freunde" genannten, Länder angegriffen und trotzdem fanden sich Menschen, die diesem Land wieder auf die Beine geholfen haben. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wo stünden wir, wenn alle diese Leute damals gesagt hätten, "Ihr habt euch in die Scheiße geritten, seht zu, wie ihr wieder rauskommt"? Entschuldigen Sie meine Wortwahl.

Neben der Beschäftigung mit Ihren Wahlplakaten habe ich mir auch die Mühe gemacht, mich mit ein paar Ihrer Wähler zu unterhalten und auch hier haben Sie Respekt verdient, Herr Professor Lucke. Man hat mit Windeseile Ihre Rhetorik übernommen. Man betet Ihre Thesen mit einer Leidenschaft runter, die bemerkenswert ist. Nur bei Nachfragen, da hapert´s halt oft. Wenn es um die geistige Leistung geht, auswendig Gelerntes auch in eigenen Worten zu erklären und zu vertreten, aber gut, man kann nicht alles haben.

Nach den Gründen für die Entscheidung Pro-AfD gefragt, geht es dann ausschließlich(!) um Ausländer. Ausländer, die wahlweise unser Geld, unseren Lebensraum oder, ganz frech, beides wollen. Dabei werden munter Eingebürgerte, politische und wirtschaftliche Flüchtlinge mit legalen und illegalen Einwanderern in einen Topf gesteckt, dass es eine wahre Freude ist. Wären Sie nicht so bekannt in Ihrer Partei, würde ich Ihnen ja empfehlen, sich von Ihren Wählern mal den Unterschied zwischen diesen Gruppen erklären zu lassen, das ist sehr unterhaltsam.

Die mit Abstand am häufigsten genannte Forderung ist die, nicht jeden ins Land zu lassen. Nur die, die arbeiten wollen. Die, die hochqualifiziert sind. Das ist die Forderung Ihrer Partei im Runterbetmodus Ihrer Anhänger, lustig wirds dann wieder im freien Sprechen. Dann wird daraus nämlich schnell "Nur die, die arbeiten wollen, nicht das faule Pack." und "Die, die hochqualifiziert sind, nicht die dummen Bauern mit ihren 27 Kindern."
Oder wenn man mal nachfragt, wer denn entscheidet, wer ein "guter" und wer ein "schlechter" Ausländer sei. Oder wenn man darauf hinweist, dass selbst die Nazis Juden verschonten, die ihnen als nützlich erschienen. Oder wenn man fragt, ob es nicht der bessere Weg wäre, Deutschland zu einem interessanten Einwanderungsland zu machen, in das hochqualifiziere Fachkräfte auch gern kommen wollen. Eines, in dem Ausländer willkommen sind zum Beispiel. Denn leider ist es ja so, Herr Professor Lucke, dass der Alltagsrassismus keinen Unterschied zwischen dem Akademiker oder dem Müllmann macht. Oder dem Müllmann, der früher Akademiker war und heute Müllmann ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist natürlich nicht Ihre Schuld, denn das sind ja alles unsere Freunde. Außer sie brauchen unsere Hilfe. Jedenfalls kommt auf Nachfrage tatsächlich oft nur NPD-würdiges Gestammel oder die ständige, fast zwanghafte, Wiederholung der immer gleichen Mantras.

Aufgefallen ist mir außerdem, dass jeder bekennende AfD-Wähler mit dem ich sprach, sofort nach der wertfrei gestellten Frage "Warum wählst du AfD?" in eine Rechtfertigungshaltung verfiel. Die Frage erschien ihnen unangenehm.

Dass die Frage wertfrei gestellt wurde kann ich natürlich nicht belegen, Sie müssen mir das also jetzt einfach mal glauben.
Nun weiß ich von meinen Kindern, dass eine Rechtfertigungshaltung oft aus einem Schuldgefühl heraus entsteht. Warum, Herr Professor Lucke, denken Ihre Wähler, dass sie sich verteidigen müssen, wenn man sie fragt, warum sie Ihre Wähler sind? Obwohl, was ich sogar noch bemerkenswerter fand war, dass Ihre Wähler sich dagegen wehren als "Rechtswähler" bezeichnet zu werden, obwohl Sie doch selbst mehrfach betont haben, sich ein Mitte-Rechts-Bündnis mit der CDU vorstellen zu können und dass sie den "Mitte"-Part in diesem Bündnis übernähmen, glauben wir doch wohl beide nicht. Ihre Wähler hingegen scheinbar schon. Oder sie hören halt nur, was sie hören wollen. Selektives Wählerhören soll ja schon so manchem zur Macht verholfen haben.

Meine Beobachtungen erheben keinesfalls den Anspruch repräsentativ zu sein. Was ich erlebt und gelesen habe bringt mich zu dem Schluss, dass ich Sie für gefährlich halte. Sie sind intelligent genug, Ihre kruden, rechtspopulistischen Forderungen in sozialverträgliche Worte zu fassen und damit fleißig Bauernfängerei zu betreiben. Sie bedienen die niederen Ängste latenter Rassisten mit blumigen Worten, um sie auf Ihre Seite zu ziehen und ich finde es widerwärtig, zum Beispiel politisch verfolgte, Asylbewerber Menschen auf diese Art und Weise zu instrumentalisieren. Sie sind einer dieser Menschen, die Freunde nur umarmen, um ihnen leichter das Messer in den Rücken treiben zu können. Und zu allem Überfluss weist Ihr Parteiprogramm, im Vergleich, die höchste Deckungsgleichheit mit der NPD auf, der Partei, die Ihnen zudem eine "lobenswerte Eisbrecher- und Türöffner-Funktion" attestiert.
Ich bin Demokrat, Herr Professor Lucke, sie dürfen also jede Meinung vertreten die Sie wollen, ich persönlich würde spätestens an dem Zeitpunkt stutzig werden, an dem die NPD mich lobt oder das Webportal "Politically Incorrect" Sendungen mit mir als TV-Tipp anpreist, aber das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden und womöglich ist das halt einfach das Umfeld, in das Sie gehören.

Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich mir wünsche, dass Sie am kommenden Sonntag sang- und klanglos untergehen.

Herzlichst Grüße,
Ihr Rock Galore

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