Liebe Telekom, ich hab da ein paar Fragen

Liebe Telekom,
dieser Tage wird viel auf dir (darf ich du sagen?) rumgehackt. Du willst halt mehr Geld, es dürfte dir ja vorher klar gewesen sein dass das nicht jedem gefällt.

Ich bin übrigens nicht so. Wenn du mehr Geld willst, halte ich das im Grunde durchaus für legitim. Es stellen sich allerdings ein paar Fragen, die man sich gefallen lassen muss wenn man mein Geld will.
1. Wenn du fairer bezahlt werden möchtest, warum behandelst du deine Kunden nicht fairer?
Ja, es ist abgedroschen, aber es ist dennoch wahr: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus". Viele deiner Kunden sind unzufrieden. Sie wohnen in Bereichen, wo 3, vielleicht 5, MB das höchste der Gefühle sind. Trotzdem werden diesen Menschen "bis zu 16 MBit"-Leitungen verkauft. Man stelle sich mal vor, VW würde den Golf VII für pauschal 30.000€ verkaufen. Mit bis zu 250 PS. Ob man dann tatsächlich das GTI-Modell oder die Basisvariante erhält, hängt davon ab, was grade auf dem Hof steht. Das kann VW natürlich nicht, weil VW Konkurrenz hat. Echte Konkurrenz, keine Pseudokonkurrenz wie du. Aber du, du kannst das. Du kannst teure "Bis zu"-Leitungen an jeden verkaufen, egal ob Internet-Junkie oder gelegentlich Mails checkenden Rentner, und heulst uns nun die Ohren voll wie teuer alles ist.
Verstehst du jetzt vielleicht ein bisschen, liebe Telekom, warum die Menschen dich grade nicht so mögen?

2. Warum hältst du uns für dumm?
Eine provokante Frage, durchaus. Aber berechtigt. Du erzählst uns, dass viele Normal- für einige wenige Poweruser bezahlen müssten und versuchst uns damit zu manipulieren und auf deine Seite zu ziehen. Der Robin Hood unter den Großkonzernen kämpft für den kleinen Mann gegen die bösen Nerds, die uns Bandbreite stehlen. Wir sind nicht dumm, liebe Telekom, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass sich mit diesem billigen rhetorischen Kniff der eine oder andere BILD-Leser einfangen lässt.

Laut Lovefilm (http://www.lovefilm.de/help/dyn_faqs.html?editorial_id=46772#H10) benötigt man für einen HD-Film von 2 Stunden etwa 10GB Bandbreite. Ich bin, nach deiner Definition, also, wenn ich 7,5 Filme im Monat schaue, ein Poweruser, vor dem die Allgemeinheit geschützt werden muss. Ernsthaft? Bin ich das, liebe Telekom?

3. Warum die lächerliche Obergrenze von 384kBit/s?
Bis hierher hättest du mich sogar noch, wenn du ehrlich zu mir wärst und nicht versuchen würdest mich für dumm zu verkaufen. Du erbringst eine Leistung, die Kundenanforderungen steigen quasi täglich, also ist es völlig legitim, mehr Geld zu wollen.
Aber warum, wenn es doch um die bösen, filesharenden, deine Gutmütigkeit ausnutzenden Poweruser geht, zur Hölle willst du uns in die Steinzeit des Internets zurückschicken? Mit diesem Witz von Bandbreite sind weit über 90% des Internets heutzutage gar nicht mehr benutzbar und das weißt du auch. Du gaukelst also Grundversorgung vor, die dir hilft Kosten zu sparen aber das ist eine fette Lüge. Du willst keine Kosten sparen, sondern auch Normaluser dazu zwingen, entnervt Zusatzpakete zu buchen.
Eine Drosselung auf 2 oder 3 MBit hätten es doch auch getan. Ach Nein, die meisten deiner Kunden bekommen ja jetzt schon nicht mehr als das! Ja, liebe Telekom, das ist wahrlich ein Dilemma, denn was nützt eine Drosselung, wenn der größte Teil deiner Kunden sie nicht einmal bemerkt? Und was nützen Zusatzpakete, wenn der Kunde gar nicht weiß, dass er sie braucht?

4. Warum ist Entertain kein Internet?
In der ganzen Diskussion um Entertain geht ein Punkt häufig unter. Du, liebe Telekom, behauptest, Entertain gehöre nicht zum Internet. Na gut, das ist ein Standpunkt. Aber es geht dir doch augenscheinlich allein um die Bandbreite und die verbraucht nun mal auch Entertain, weil es die gleiche Infrastruktur nutzt. Am Beispiel Entertain zeigt sich gut, warum Strukturanbieter niemals auch Content anbieten dürfen sollten.

Aber ich schweife ab. Auch hier, liebe Telekom, lügst du uns an. Du willst mehr Geld verdienen. Und neben dem Verbraucher möchtest du jetzt auch bei der Industrie kassieren. Auch das ist ein legitimes Anliegen, wenn man es offen und ehrlich vorträgt. Das du damit die Netzneutralität gefährdest und Beihilfe zur Monokultur-, wenigstens aber Oligopolbildung, leistest kommt als nicht unerheblicher Faktor hinzu, aber das kann man dir nicht mal wirklich vorwerfen. Du kennst es ja nicht anders. Wahrscheinlich fragst du dich was daran schlimm sein soll, wie Kaspar Hauser sich fragen könnte warum Wölfe sich selbst die Eier in der Öffentlichkeit lecken dürfen, Menschen aber nicht (abgesehen davon, dass sie es halt einfach können).

Ich könnte noch über andere Dinge sprechen, liebe Telekom. Über Dinge wie brachliegende Backbone-Kapazitäten, die dein Szenario gefährlich verstopfter Leitungen ad absurdum führen zum Beispiel, aber ich will nicht zu technisch werden.

Ich habe eine Bitte, liebe Telekom. Beantworte meine Fragen nicht mit Plattitüden, behandle uns mehr wie Kunden und weniger wie Abhängige und versuche Tarife zu schaffen, mit denen alle zufrieden sein können. Ja, auch du! Ich bin bereit mehr Geld zu bezahlen, falls ich mehr nutze als ich gekauft habe, aber dann möchte ich auch, dass du erst einmal lieferst was ich bisher schon bezahle. Denn seien wir ehrlich, dass du gar nicht liefern kannst wofür du mir Geld abknöpfst ist nun wirklich nicht meine Schuld.

"Quid pro quo" ist keine Einbahnstraße, liebe Telekom, behandle mich fair, dann bekommst du vielleicht einen Kunden zurück.

Dein Rock Galore


Nachtrag:
Ich habe per E-Mail eine Antwort der Telekom erhalten, die ich hier veröffentlicht und kommentiert habe.

Kommentare

  1. Hallo,
    ich habe heute die Kommentarfunktion dahingehend geändert, dass man nun wieder ohne Google+-Konto Kommentare abgeben kann.

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